Konfliktlösung
Frieden unterm Tannenbaum
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Was passiert hier?
Hin zum Konflikt: Es begegnen sich zwei Menschen, mit unterschiedlichen Meinungen, Sichtweisen, Wertvorstellungen, Glauben/ Glaubenssätzen, Prioritäten etc. (= unterschiedliche Wahrheiten)
Geschichte
Es war ein gemütlicher Heiligabend, und Onkel Thomas und sein Neffe Max, beide leidenschaftliche Diskutierer, hatten sich nach dem Essen in einer Ecke des Wohnzimmers niedergelassen. Der Weihnachtsbaum funkelte im Hintergrund, doch die friedliche Atmosphäre hielt nicht lange.
Wahrheit 1 und Wahrheit 2
- Beide haben ihre persönliche Wahrheit.
- Zum Konflikt wird es, wenn beide davon ausgehen, dass beide Wahrheiten nicht nebeneinander bestehen können.
„Es kann nur eine Wahrheit geben (und zwar meine!)“
„Ich verstehe einfach nicht, wie du das gutheißen kannst,“ begann Max, während er sein Glas Wein abstellte.
„Diese ganze Klimapolitik ist doch viel zu langsam. Es braucht radikale Veränderungen – jetzt sofort!“
Onkel Thomas, ein Mann mit grauen Schläfen und einer Vorliebe für lange Monologe, hob die Augenbrauen. „Langsam, Max. Große Veränderungen brauchen Zeit. Einfach alles umzukrempeln, führt nur zu Chaos.“
Beginn typischer Notstrategien. In dieser Geschichte startet es mit wechselseitiger Abwertung der verschiedenen Generationen (sie könnten hier aber auch die andere Meinung, die Werte des Gegenübers etc. abwerten).
Max schnaubte. „Das ist genau das Problem, Onkel Thomas. Eure Generation redet nur, aber wir müssen die Suppe auslöffeln!“
Als Alternative zur Abwertung gäbe es noch: Zuschreibung von Bosheit, Dummheit/ Ignoranz oder geistiger Umnachtung
Thomas ließ sein Glas sinken. „Ach, komm schon. Du hast keine Ahnung, wie kompliziert das ist. Vielleicht würdest du das verstehen, wenn du mal in der Realität ankommst.“
Was es jetzt braucht, ist eine Unterbrechung der Konfliktdynamik: Tante Anja unterbricht die Dynamik und bringt sich als dritte Partei ein (Triangulation) – sie zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Das bestehende Zwei-Fronten-Muster öffnet sich.
Die Stimmen wurden lauter, und die übrigen Familienmitglieder beobachteten die Szene schweigend. Schließlich stand Tante Anja auf. „So, genug jetzt!“ sagte sie mit einem Lächeln, das nichts von ihrer Bestimmtheit nahm.
Um die Zwei-Fronten-Situation weiter aufzulockern, versucht sie den Fokus umzulenken. Nämlich, auf etwas, was beide Seiten wollen (wieder eine Triangulation – dieses Mal mit höheren oder gemeinsamen Zielen).
„Heute ist Weihnachten. Ich kann es natürlich nicht wissen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass auch ihr beide diesen Abend in vollen Zügen genießen wollt. Oder?
Als nächstes versucht sie die unterschiedlichen Sichtweisen zu würdigen, nach dem Motto: „Aus der jeweiligen Sicht heraus ist jedes Argument so was von nachvollziehbar…“
Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Thema wertvoll und wichtig für euch ist – wo ihr doch jeweils gute Argumente dafür habt.
Nun kommt etwas ganz Wichtiges: Sie bringt zum Ausdruck, dass jeder seine Meinung behalten darf. Die unterschiedlichen Sichtweisen dürfen erhalten bleiben!
Das gibt den Parteien ein Gefühl der Sicherheit, frei nach dem Werbeslogan: „Ich darf so bleiben wie ich bin.“
Der Wunsch, die Unterschiede aufzulösen, verhärtet den Streit nur.
Die Lösung eines Konflikts liegt darin, die Unterschiedlichkeit beizubehalten und mit Blick auf die höheren Ziele die optimalen Kooperationsbedingungen herauszuarbeiten.
Daher erwarte ich auch nicht, dass einer von euch jetzt die eigene Meinung ändert.
Das ist die eine Seite.
Auf der anderen Seite ist es meine Aufgabe als Gastgeberin, dass wir uns alle wohlfühlen.
Tante Anja wechselt nun in eine Rollen- und ICH-Kommunikation – in ihrer Rolle als Gastgeberin.
Das ist ganz wichtig an dieser Stelle. Denn sie hat gerade ein Problem – nicht die beiden. Die beiden haben eine Lösung: den Streit.
Sie braucht etwas von den Streitenden. Nämlich, dass sie den Abend nicht ruinieren.
Ich habe mich wirklich auf den heutigen Abend gefreut und ich will euch beide dabeihaben. Deswegen habe ich euch eingeladen.
Nur brauche ich jetzt etwas von euch.
Nämlich, dass wir eine Lösung finden, wie ihr beide – mit euren Meinungen – gemeinsam optimal hier mit uns einen schönen Abend verbringen könnt.
Als nächstes will Anja die Aufmerksamkeit nochmal umfokussieren, nämlich auf gelingende, friedliche Kooperation.
PS: Das warme Zimmer, die bequemen Sofa-Möbel und die dezente, entspannende Musik im Hintergrund sind Bahnungshilfen für das Gehirn und stimmen die Menschen auf ein friedliches Miteinander ein.
Was könnte ich denn jetzt Gutes für euch beide tun, so dass ihr heute, gemeinsam einen besonders angenehmen Abend habt.
Thomas und Max schauten sich an.
Nun werden erste Vereinbarungen getroffen – das zeigt, das Kooperation möglich ist, sogar bei bleibenden, unterschiedlichen Sichtweisen.
Es war Max, der schließlich grinste. „Vielleicht noch ein Gläschen Wein, Anja?“
„Das wäre eine fantastische Idee“, sagte Thomas lachend. „Waffenstillstand.“
Max nickte und hob sein Glas. „Okay, Waffenstillstand.“
Damit die beiden mit ihren Bedürfnissen in Kontakt kommen – nur so lässt sich der Waffenstillstand zum Frieden ausbauen – bietet Anja den beiden eine Umfokussierung an: auf das jeweils eigene Anliegen.
Anja: „Sehr gut. Ihr beide könnt morgen ja wieder die Welt retten. Nur, würde mich dann interessieren WOFÜR genau ihr in die Diskussion eingestiegen seid.
Wenn wir die Bedürfnisse wechselseitig respektieren können, gelingt uns auch das bereichernde, wertschätzbare und würdigende Zusammensein, mit Andersdenkenden.
Mich würde wirklich interessieren, was euch an dem Thema so wichtig ist, so dass es sich lohnt, dafür so standhaft einzustehen. Aber bitte erst morgen 😉“
Der Abend ging friedlich weiter, aber jeder wusste, dass die nächste Diskussion nicht lange auf sich warten ließ.
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